Wileb-Dozentenhandbuch

Liebe Kollegin, lieber Dozent, lieber Tutor,

Sie wollen mehr über das Wie und Warum des Formats "Wir lesen ein Buch" (Wileb) wissen? Auf den folgenden Seiten geben wir Ihnen Hintergrundinformationen und Durchführungsweise an die Hand.

Wir publizieren dieses Dozentenhandbuch öffentlich im Netz, damit auch unsere Studierenden es einsehen können. Auch sie sollen wissen, warm wir tun, was wir tun. Damit wird auch ein klareres Feedback an uns Dozenten möglich.

Groblehrziel: Kompetenzen gemäß DQR

Unsere Vorlesung orientiert sich an den Grobzielen, wie sie im EQF und der deutschen Implementierung in der sog "DQR-Matrix" (jetzt googeln!) für das Anforderungsiveau 6 "Batchelor" vorsehen sind: """Niveau 6: [Die Absolventen sollen] Über Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder in einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen. Die Anforderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet.""" (DQR, S.7) http://www.deutscherqualifikationsrahmen.de/de?t=/documentManager/sfdoc.file.supply&fileID=1347453494007

Die einzelnen Kompetenzen, zu denen der DQR differenziert Auskunft gibt, sind Wissen, Fertigkeiten, Sozialkompetenz und Selbstständigkeit. Während andere Vorlesungen (typischerweise in höheren Semestern) bisweilen rein fachlich-wissensorientierte Schwerpunkte setzen, bieten wir Ihnen in unseren Vorlesungen im Wileb-Format gleichwertige Lernmöglichkeiten für alle vier Kompetenzen an.

Dahinter steckt die Idee, dass Sie als insbesondere als StudienanfängerIn gezielt lernen müssen, wie man selbstständig lernt, sich längerfristig Schritt für Schritt Herausforderungen stellt, in Teams arbeitet, Hilfe geben und Hilfe annehmen kann, Aufgaben verantwortet und vieles mehr.

  • Denn es ist ja klar: Lernen können nur Sie selbst!
  • Was wir als Dozenten tun können: Ihnen sagen und zeigen, was Sie lernen sollten - und wie Sie das zielgerichtet und erfolgreich tun können.

Deutscher Qualifikationsrahmen, Niveau 6 = Batchelor

Quelle DQF:

Niveau 6: Über Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder in einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen. Die Anforderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet.

Wissen

  • Über breites und integriertes Wissen einschließlich der wissenschaftlichen Grundlagen, der praktischen Anwendung eines wissenschaftlichen Faches sowie eines kritischen Verständnisses der wichtigsten Theorien und Methoden (entsprechend der Stufe 1 [Bachelor- Ebene] des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse) [oder ...]
  • Kenntnisse zur Weiterentwicklung eines wissenschaftlichen Faches [oder ...]
  • Über einschlägiges Wissen an Schnittstellen zu anderen Bereichen verfügen.

Fertigkeiten

  • Über ein sehr breites Spektrum an Methoden zur Bearbeitung komplexer Probleme in einem wissenschaftlichen Fach, (entsprechend der Stufe 1 [Bachelor- Ebene] des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse), weiteren Lernbereichen [ oder ... ]
  • Neue Lösungen erarbeiten und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Maßstäbe beurteilen, auch bei sich häufig ändernden Anforderungen.

Sozialkompetenz

  • In Expertenteams verantwortlich arbeiten, [oder ... ] Gruppen oder Organisationen [...] verantwortlich leiten.
  • Die fachliche Entwicklung anderer anleiten und vorausschauend mit Problemen im Team umgehen.
  • Komplexe fachbezogene Probleme und Lösungen gegenüber Fachleuten argumentativ vertreten und mit ihnen weiterentwickeln.

aut

  • Ziele für Lern- und Arbeitsprozesse definieren, reflektieren und bewerten und Lern- und Arbeitsprozesse eigenständig und nachhaltig gestalten.

Aufgaben der Tutoren

Was sollten die Tutoren in unseren Tutorien tun können, d.h. welche Aufgaben sollen sie erfüllen? Und über welche Kenntnisse müssen sie dazu verfügen?

Gegeben ist folgende Lernsituation:

  • Studierende werden vorab in selbstgesteuerte LernGruppen (SGLG) zu je 4 Personen eingeteilt
  • je 3-4 SGLS (also 12-16 Personen) kommen für typischerweise 90 Minuten in einem großen Seminarraum auf dem Campus zusammen ( bei 160TN in der Vl benötigen wir 10 Seminarräume)
  • Die SGLG haben klare, schriftliche Arbeitsaufträge, die sie im Prinzip selbst erledigen könnten - wenn sie denn zufriedenstellend Gruppen- und Selbstlernkompetent wären.

In jedem Seminarraum ist ein Tutor anwesend. Wozu benötigen wir den?

  • Primär: Group Facilitation, d.h. die Gruppenarbeit vor allem sozio-integrativ unterstützen
    • Seminarraum mit Tutor soll den Gruppen eine Heimat bieten
    • Der Tutor garantiert auch Ernsthaftigkeit der Lernbemühung: Der Gebrauch von Tablet etc. ist erlaubt (Mathebuch als eBook!), Surfen im Internet nicht.
    • Konkrete Unterstützung der Gruppenarbeit
      • Überaktive TN und Tritbrettfahrer identifizieren
      • Ergebnisse der Gruppenarbeit sichern
      • Hängephasen überwinden
      • ggf. Kaffee kochen?
  • Fachliche Sicherheit verschaffen
    • "Wir dürfen es selber probieren, aber wir sind nicht alleine!"
    • Minimale Hilfe bzgl. den Lösungen der Aufgaben
  • Methoden lehren: Gerne ausführlichere Hilfe anbieten bzgl. Inhalten, die nicht im Lehrbuch stehen!
    • fachliche Strategien, eine Aufgabe zu lösen
    • ein Buch - hier: ein Mathematikbuch - lesen lehren

Wichtig ist die Einstellung der Tutoren: Sie haben nicht die Aufgabe, Mathematik zu lehren, sondern die Aufgabe, die Teilnehmer beim Mathematiklernen zu unterstützen. Das ist eine Frage der Philosophie.

Wir haben uns von der Methode Lernteamcoaching inspirieren lassen, ohne diese Methode im Detail zu kopieren:

  • auch beschrieben in: Neues Handbuch Hochschullehre, C 2.5: Patrick Fleischmann/Helmut Geupel / Bärbel Lorbeer: Lernteamcoaching Methode, Nutzung, Wirtschaftlichkeit und Erfahrungen.

...

Methode: Immer wieder die Schwelle ertasten

Das wichtigste Lernziel: Lernen, in Begleitung mit einem Buch eigene Schritte zu gehen ... zuerst Sicherheit gewinnen: Diese Aufgaben kann ich schon! ... viele Aufgaben rechnen mit leicht steigender Schwierigkeit.

Unsere Taxonomie der Schwierigkeiten ist nicht identisch mit der Bloomschen Taxonomie von Lernzielen, ist aber an diese angelehnt. Fachliche Urteilskraft von Tutoren: Die Schwierigkeit einer Rechenaufgabe erkennen:

  • Stufe 1 (inunserem Lehrbuch meist a-Aufgaben): grundlegendes, basales Verständnis; strukturidentisch mit dem Textteil; reines Kopfrechnen
  • Stufe 2 (meist b-Aufgaben): einfache Anwendung didaktisierter Aufgaben ohne besondere Schwierigkeiten; Kopfrechnen sollte genügen.
  • Stufe 3: Das sollte man mit etwas Konzentration gut rechnen können; gerne mit Papier und Bleistift.
  • Stufe 4: Es ist eine Herausforderung oder ein Gimmick eingebaut; meist Verknüpfung mit einem anderen Teilgebiet; erfordert eingeübte Fertigkeit in einem anderen Bereich (z.B. erkennen einer binomischen Formel); ohne Papier und Bleistift verliert man die Übersicht.
  • Stufe 5: Kopfnuss, braucht Zeit.

Vorsichtig die Grenze zwischen Sicherheit und Widerstand ausloten: Das vertsehe ich noch gut - und an diesem Schritt bin ich unsicher, das weiß ich noch nicht ... hier persönliche Wahrnehmungsübung: Was passiert gerade mit mir? Widerstand, Angst, Aversion, Reaktanz? ... gewonnen hätten wir, wenn jemand formulieren kann, was er nicht versteht, und was er wirklich meint, wenn er "kapiere ich nicht" sagt.

Übungsaufgabe:

  • Aus dem Lehrbuch eine Aufgabe 'raussuchen, von der man glaubt, dass man sie eigentlich verstehen können sollte, das aber nicht tut;
  • dann dem Banknachbar erklären, was man hier noch versteht, und was man nicht mehr versteht
  • Unterstützung von vorne: 5 Slides, rote, gelbe und grüne Karten, Kollege mit ähnlichem Lernstand suchen lassen.

Dann Metakognition: Was kann ich tun, um dieses (fachliche und persönliche) Problem zu lösen? ... hier ist auch der Ort für fachspezifische, einfachste Arbeitstechniken, z.B. "Lehrbuch zur Hand nehmen" ...

Wichtig ist hier, dass man sich alle Zeit nimmt, die es eben dauert - es geht jetzt sowieso nicht schneller. Man wird später dadurch schneller, dass man es jetzt gründlich macht! ... wie im Orchester: exemplarisches, langsames Üben von einzelnen kurzen Abschnitten ist besser als Fehler einschleifen durch zu hohes Tempo.

Wichtigstes überfachliches Lernziel der Brückenwoche: So lerne ich - z.B. Mathematik. Wir wollen Mathe lernen lehren.

Methode: Spickzettel schreiben

Ablauf

  • selbst, jetzt! aber zeitbeschränkt
  • eine klassische Einzelarbeit; dennoch im HS im hier rund jetzt
  • ggf. Nachmittags
    • Spickzettel mit Tutoren diskutieren lassen, Fehleranalyse, Lob
    • Spickzettel neu und schön schreiben
    • schöne Spickzettel fotographieren und online sammeln

Warum machen wir das?

  • Es gibt Klausuren, in denen handschriftliche Mitschriebe im Umfang von 1 Seite DinA4 erlaubt sind
  • Ein Spickzettel ist ein hoch eingedampftes Skript: Wer einen Spickzettel geschrieben hat, braucht ihn nicht mehr

Und natürlich soll der Spickzettel gleich nachmittags beim Aufgabenrechnen zum Einsatz kommen. Er kann so auf seine Leistungsfähigkeit hin überprüft werden.