Was ist gute Lehre (Okt 2017)

In verschiedenen Diskussionen in unserer Studiendekan-Runde habe ich einen Irrtum eingesehen, den ich in diesem Text korrigieren will. Kern meines Irrtums: In der Vergangenheit habe ich - wie andere Kollegen auch - unter "Lehre" die Tätigkeit des Lehrens von Dozenten verstanden.

Sowohl im BayHSchG wie auch bei der Akkreditierung von Studiengängen ist mit dem Begriff "Lehre" allerdings nicht diese Tätigkeit an sich, sondern vor allem der institutionelle Kontext dieser Tätigkeit Lehrens, also das *System Lehre* gemeint.

Aus diesem Grund ist mein früherer Text Was ist gute Lehre (2016) in Bezug auf QM und Akkreditierung teilweise irreführend, weil er zu sehr auf Lehrveranstaltungen bezogen ist und zu wenig auf die Bedingungen, die gutes Lehren und Lernen ermöglichen.

Der vorliegende Text stellt kontrastierend dar, was unter der Evaluation von Lehre (hier: Lehre als System) im Unterschied zur Evaluation von Lehrveranstaltungen verstanden werden kann.

Evaluation von Lehrveranstaltungen (LV)

Wir unterscheiden "Lehrveranstaltung (LV)" und "Lehre". Jeder gute Dozent ist daran interessiert, seine LV zu verbessern, und dazu zweckdienliche Daten zu erheben.

Selbst-Eval,

  • ist typischerwesie formativ
  • hebt auf ganz spezifische Details der LV ab, ist kaum übertragbar
  • Anlass
    • auf konkrete LV bezogen, individuelle Besonderheiten hervorhebend
    • Verbesserung des eigenen eigenen Lehrverhaltens
  • Standards: https://www.degeval.de/publikationen/selbstevaluation/

externe Fremd-Eval

Problem: die Gestaltung von LV wird durch "Freiheit von Forschung und Lehre" geschützt; wenn ein Dozent nicht selbst Interesse an einer (im Idealfall durch eine Selbst-Evaluation gestützten) Verbesserung seiner Lehrveranstungen hat, wird auch eine Fremd-Evaluation kaum zu einer gezielten Verbesserung seines Lehrens führen. Und falls die Fremd-Evaluation nicht sachgerecht durchgeführt wird (s.u.: Evaluationsstandards der DGEval), torpediert sie die Chancen, die in sachgerechten Selbst-Evals liegen.

Empfehlung JB: Aus *institutioneller* Sicht

  • fördern und unterstützen (und belohnen?) wir zwar sachgerechte, individielle Selbst-Evaluationen von LV;
  • unterlassen wir aber alles, was vom Dozenten als unprofessionelle externe Evaluation und Einflussnahme auf den durch die Freiheit von Lehre und Forschung geschützten Bereich verstanden werden kann;
  • konzentrieren wir uns statt dessen auf die Evaluation der Rahmenbedingungen von Lehren und Lernen, mithin des Systems Lehre;
  • und hoffen so, individuelles Lehren und Lernen zu verbessern.

Evaluation von Lehre

Bei der "Evaluation der Lehre" geht es vor allem um die Rahmenbedingungen, die das Lehren der Dozenten und das Lernen der Studierenden beeinflussen.

Was kann "Lehre" heißen, wenn nicht LV gemeint sind? allgemeine, abstrakte Antwort: Alles, was zur Lehre als System dazugehört, z.B.

  • Studiengang-Ebene: Curricula, Stundenpläne, Beratungsangebote
  • Hochschule-Ebene: Mensa und Parkplätze, Medienausstattung, WLan
  • Verwaltungs-Ebene: Prüfungsordnungen, Studierenden-Sekretariat
  • u.V.m

Genau das sind auch die Aspekte, die bei einer (Programm-) Akkreditierung von Studiengängen relevant werden.

rechtliche Grundlagen von Evaluationen der Lehre

Evaluation nach §10 BayHSchG

  • Aufgabe der Hochschulleitung; Adressat: Öffentlichkeit außerhalb der Hochschule
  • §10 unterscheidet zwischen "Lehre" und "Lehrveranstaltung"
  • §10 ist primär auf die Lehre bezogen; es dürfen auch TN an Lehrveranstaltungen befragt werden, solange die Befragung dem Zweck nach §10 nützlich ist; individuelle Erkenntnisse über LV müssen jedoch anonymisiert werden
  • individuelle Unterschiede von LV glättend

Evaluation nach §30 BayHSchG

  • Aufgabe des Studiendekans; Adressat: Fakultätsrat
  • auch §30 ist auf die Lehre bezogen; der Begriff "Lehrveranstaltung" kommt in §30 nicht vor
  • allgemeine Erstverwendung: allgemein Wissen schöpfen zur stetigen Verbesserung der Lehre; Lehrberichte; formative Weiterentwicklung von Studiengängen; QM
  • Zweitverwertung: Akkreditierung

Da bei uns an der Fakultät demnächst Akkreditierungen anstehen, wollen wir diesen Aspekt im folgenden genauer in den Blick nehmen. Für das Ziel der (Programm-) Akkreditierung werden Evaluationen nach §30 BayHschG tendenziell relevanter als Evaluationen nach §10 BayHSchG.

Akkreditierung

Auf was wird bei der Akkreditierung eines Studienganges geachtet? Quellen:

Ausgewählte Aspekte zur Evaluation von Lehre als System ( Zitate aus den jeweils genannten Quellen sind durch """dreifache doppelte Anführungszeichen""" (motiviert durch die Programmiersprache Python) gekennzeichnet)

  • HRK_2010-05-11
    • """Verbesserung der Qualität von Lehre und Studium
      • übergreifendes Ziel: """kontinuierliche Verbesserung der Qualität von Lehre und Studium"""
      • """ "Gute" Lehre besteht darin, den Kompetenzerwerb der Studierenden durch anforderungsgerechte Lehr-, Lern- und Prüfungsformen optimal zu fördern (in diesem Sinne ist "gute" Lehre studierendenzentriert). [...] Gestaltung der Lernumgebung [...] aktiven, eigenständigen Kompetenzerwerb [...] kompetenzorientierte Prüfungsformen. [...] Bandbreite von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Studierende [...] beziehen sich [...] Gestaltung des Lernprozesses [...] Studienplanung und Berufsvorbereitung"""
      • """ "Studierbarkeit" der Studiengänge [...] Studiengangsziele [...] inhaltlich aufeinander abgestimmte Module mit kompetenzorientierten Lehr-, Lern- und Prüfungsformen sowie koordinierten Zeitplänen"""
    • """Die Rahmenbedingungen für Lehre und Studium müssen an den Kompetenzerwerb der Studierenden angepasst werden:
      • """ kleine Lerngruppen und deutlich bessere Betreuungsrelationen [...] Förderung der Lehrkompetenz durch Weiterbildung der Lehrenden[...] Projekte zur Entwicklung und Erprobung von fachlich adaptierten Lehr-, Lern- und Prüfungsformen [...] Verstärkung der Lehr /Lernforschung sowie ihre Anbindung an die Qualitätsentwicklung in der Lehre [...] Foren für Forscher, Lehrende und Studierende [...]"""
  • Akkreditierungsrat_2013-02-20, Kap 2: Kriterien für die Akkreditierung von Studiengängen
    • """ 2.3 Studiengangskonzept [...] Vermittlung von Fachwissen und fachübergreifendem Wissen sowie von fachlichen, methodischen und generischen Kompetenzen [...] Kombination der einzelnen Module stimmig [...] adäquate Lehr- und Lernformen [...] Mobilitätsfenster werden curricular eingebunden [...] Studienorganisation """
    • """ 2.4 Studierbarkeit [...] geeignete Studienplangestaltung [...] studentische Arbeitsbelastung [...] adäquate und belastungsangemessene Prüfungsdichte und -organisation [...] Betreuungsangebote [...] fachliche und überfachliche Studienberatung. """
    • """ 2.5 Prüfungssystem [...] Qualifikationsziele [...] wissens- und kompetenzorientiert [...] """
    • """ 2.7 Ausstattung [...] qualitativen und quantitativen personellen, sächlichen und räumlichen Ausstattung [...] Maßnahmen zur Personalentwicklung und -qualifizierung sind vorhanden. """
    • """ 2.9 Qualitätssicherung und Weiterentwicklung [...] Ergebnisse des hochschulinternen Qualitätsmanagements werden bei den Weiterentwicklungen des Studienganges berücksichtigt. Dabei berücksichtigt die Hochschule Evaluationsergebnisse, Untersuchungen der studentischen Arbeitsbelastung, des Studienerfolgs und des Absolventenverbleibs. """

Eine Zusammenfassung aller wichtigen Stichworte aus o.a. zwei Texten bietet die Mindmap GuteLehreAkkreditierung_Okt2017_BUJ.mm:

Quellen

HRK_2010-05-11
Weiterführung der Bologna-Reform - Kontinuierliche Qualitätsverbesserung in Lehre und Studium. Entschließung vom 11.5.2010
Akkreditierungsrat_2013-02-20
http://www.akkreditierungsrat.de/index.php?id=beschluesse > Regeln für die Akkreditierung von Studiengängen und für die Systemakkreditierung vom 08.12.2009 i.d.F. vom 20.02.2013
Akkreditierungsrat_2012-09-12
vom Akkreditierungsrat in der Fassung vom 12.09.2012 beschlossenen landesspezifischen Struk- turvorgaben für das Land Bayern: QUELLE?
Zeva_2015
www.zeva.org/fileadmin/Downloads/Infomaterial_Akkreditierung_Januar_15.pdf