Konzept_2020-06-10

Coronabedingt wird auch das das WS 2020 vorwiegend digital durchgeführt. Mein bisheriges Lehr-Lernkonzept für die "Grundlagen der Wirtschaftsinformatik" (GdW) war dezidiert auf Präsenzlernen zugeschnitten, und lässt sich daher nicht unmittelbar auf digitales Lernen übertragen. Um GdW "digitaltauglich" zu machen ist es am einfachsten, die Veranstaltung neu aufzubauen.

Um das digitale Konzept transparenter mit Studierenden diskutieren und leichter evaluieren zu können, dokumentiere ich es der Einfachkeit halber an dieser Stelle öffentlich.

Herausforderungen

Studieren benötigt einen sozialen Raum

Studierende, die ein Präsenzstudium wählen, wählen dieses i.A. auch deshalb, weil man in Präsenz andere Menschen trifft, sich austauschen kann: Hochschule als Lebensraum.

Im Digitalsemester fällt dieses wichtige Studienelement weitgehend weg. Lösung Digitalsemester: Wir gestalten die digitalen Lernräume so, dass ein Maximum an sozialer Interaktion möglich wird.

Lernbegleitung statt Stoff-Exposition

In konventioneller Lehre dient eine Vorlesung dazu, Stoff zu exponieren (darzustellen, zu erklären, aus einem Skript vorzulesen, in die Feder zu diktieren). In einer modernen digitalen Lehre gibt es zu sehr vielen Stoffgebieten bereits eine große Anzahl an bestens aufbereiteten und didaktisierten Lehrbüchern, oft auch Videos.

Digitalsemester: Die Aufgabe des Dozenten besteht in solch einem medialen Umfeld nicht mehr vorwiegend in der Exposition (Darstellung, Erklärung) von "eigenem" Stoff, sondern in der Unterstützung der Studierenden bei der Rezeption existierender digitaler Stoff-Repräsentationen.

most frequently asked question: "Was kommt in der Klausur 'dran?"

Antwort bisher: "alle Vorlesungsinhalte". Problem: Anwesenheit in der Vorlesung ist erforderlich. In einem Präsenz-Setting gibt es gute Gründe, das einzufordern. Der große Vorzug von digitalen Settings besteht allerdings nicht nur in der Orts-, sondern vor allem auch in der Zeitunabhängkeit von Lernen. Synchrones Video-Streaming wird diesem Anspruch nicht gerecht und von einschlägigen Stellen auch nicht empfohlen.

Änderung GdW im Digitalsemester: Veranstaltungsinhalte vom Typ "Wissen" werden größtenteils durch ein am Markt erhältliches Lehrbuch definiert.

  • Studierende können den Klausurstoff auch zeitlich unabhängig von der Vorlesung zur Kenntnis nehmen.
  • Synchrone Veranstaltungselemente dienen nicht dem Vortrag von Stoff ("Vorlesung"), sondern der gemeinsamen Erarbeitung von bereits existierenden medial repräsenterten Inhalten.

Eckpunkte

Vorlesung

Eine Vorlesung gibt es sowieso nicht: Im Modulhandbuch steht "Seminaristischer Unterricht". (Das Problem ist, dass keiner weiß, wie man mit ca 100 Hörern einen seminaristischen Unterricht gestalten soll. Aber vielleicht bietet ja der digitale Unterricht neue Möglichkeiten?).

Die Vorlesung wird ersetzt durch ein "Plenum":

Plenum

Def Plenum: eine große Gruppe (>40 Teilnehmer) - und zwar *synchron*.

Aufgaben des Plenums

  • NICHT die Exposition von Stoff durch den Dozenten im typischen Modus ppt-Vortrag; Aufgaben stattdesen:
  • primär: ein für die gesamte Kohorte im Stundenplan reservierter Zeitraum für gemeinsames, synchrones Lernen; Sozialformen:
    • alleine ("hören", "lesen")
    • interaktiv in Kleingruppen
    • interaktiv in der Großgruppe: geht nicht
  • sekundär auch Broadcasting von Orga-Ansagen des Dozenten, soweit nicht anders (z.B. Website, email) möglich; Sozialform: Großgruppe, wenig Interaktion (wenn überhaupt, dann sternförmig zum Dozenten)

Medien im Plenum:

  • Jitsi + youtube für skalierendes Streaming
  • Jitsi
    • für Broadcasting des Dozenten: anonyme, passive Teilnahme möglich
    • für spontane, selbstorganisierte peer2peer-Kleingruppen von Studierenden
    • für Speed-Dating (s.u.)
  • Zoom
    • insbesondere für Breakout-Sessions (Vorteil Zoom gegenüber Jitsi)
    • Screen-Sharing, Gruppenfunktionen, Warteraum
  • gemeinsames kollaboratives Arbeiten an Text
    • Text: Moodle-Etherpad, ggf. auch Google-Doc
    • Programmieren: Jupyter-Notebook auf cocalc.com

Übung

rechnerische Größe in Präsenz: 40 TN, 180 Minuten synchron; tatsächliche TN-Zahl: 20 TN

primäre Aufgabe der Übung im Digitalsemester: Einen lebenswerten sozialen Hochschul-Raum schaffen, mit Möglichkeiten zum Kennenlernen, Socializing, fachlichen und auch privaten Austausch