Wissensakquise und -Kommunikation

Wissensakquise und -Kommunikation

Wissen systematisch aufzuschreiben ist eine anspruchsvolle Tätigkeit. Denn im Allgemeinen wissen wir nicht, was wir wissen (und benötigen in der Praxis dieses Meta-Wissen auch gar nicht).

Ebenso anspruchsvoll ist es, sich seines Wissens bewusst zu werden und es in Sprache zu fassen. Wissensakquise ist die Tätigkeit eines Knowledge Engineers, gemeinsam mit Experten eines Fachgebiets Wissensbestände zur Sprache zu bringen und in eine schriftliche Form gerinnen zu lassen. Wissen muss aus den Köpfen heraus "aufs Papier" (oder in die Systeme) gebracht werden.

In der betrieblichen Praxis ist mit der Versprachlichung und Verschriftlichung von Wissen auch meist das Ziel verbunden, das neue Wissen mitzuteilen, zu kommunizieren, es systematisch vermittelbar (und damit lehrbar) zu machen.

Pointiert: Eine Ontologie, die nicht kommuniziert werden kann, ist eine tote Ontologie. ”Eine Ontologie ist eine ... Spezifikation einer *gemeinsamen* Konzeptualisierung“ T.R. Gruber. A translation approach to portable ontology specifications. Knowledge Aquisition, (5):199–220, 1993. (zitiert nach http://subs.emis.de/LNI/Proceedings/Proceedings28/GI-Proceedings.28-7.pdf)

Ziel einer Ontologie: Wissen "auf den Begriff bringen", d.h. eine auf Begriffe (und Relationen) abzielende Wissensmodellierung. Aber begriffliches Wissen ist defizitär, wenn es von der Erfahrung und Verwendung abgekoppelt ist.

Begriffliches Wissen wird nur dann wertvoll, wenn die Defizite des Entstehungsprozesses und seiner Resultate bekannt sind, d.h. wenn die Entstehungs- und Anwendungsbedingungen einer Ontologie bekannt sind. Auch dieses Wissen zu dokumentieren und mitzuteilen gehört zur Aufgabe eines Wissensschöpfungprozesses!

Unsere Konsequenz: Wissensakquise und Wissenskommunikation sind zwei Seiten Seiten einer Medaille, sie gehören untrennbar zusammen.

Schritte, um Wissen schöpfen und aufzeichnen

Ziele / AnwendungsKontext definieren

  • Eine Ontologie ist immer an eine Aufgabe gebunden, muss eine Aufgabe unterstützen
  • Von Beginn an auch Kriterien benennen, anhand derer sich feststellen lässt, ob eine Modellierung gut für ein Ziel ist - und überhaupt in Richtung Ziel führt!
  • Größter Fehler:
    • Erst aufschreiben, was man weiß, dann nach dem Nutzen fragen
    • modellieren, was sich modellieren lässt, statt zu modellieren, was nötig ist

Sich des Wissens bewusst machen; nachforschen, was man bereits weiß

  • schöne Slides: http://www.cs.man.ac.uk/~seanb/teaching/COMP30411/KA.pdf
  • organisational: Wissensträger (Personen) und -Quellen (Medien) identifizieren - schon das ist oft ein Projekt für sich!
  • Wissen in Unternehmen ist fast immer bereits vielfach festgeschrieben
    • Explizit in Dokumentationen, Berichten etc.
    • implizit in Softwaresystemen
    • implizit in Vorgehensweisen, Organisationsstrukturen
  • personal: Methoden, um Wissen zu externalisieren, zu schöpfen:
    • sind eingebettet in soziale Praxis
    • beinhalten immer unscharfe, formal nicht fassbare Elemente - und das ist gut so!
    • nicht Wissenschaft, sondern "Therapie" als Modell professionellen Handelns?
    • persönliche vs. konventionelle Begriffsinhalte

Teile des Wissens begrifflich oder mit in anderen formalen Strukturen modellieren.

  • Begriffe festlegen
  • Beziehungen festlegen
  • Regeln festlegen
  • Aussagen machen
  • Abfragen und Evaluieren - wird das erwartete Ergebnis zurückgeliefert?

Wissen mitteilen

  • Wie dokumentieren wir unsere Modelle?
    • Visualisierung mehrer hundert oder tausend Begriffe?
    • Komplexitätsmaße
    • Ästhetik
  • Wie lehren wir die festgezurrten Begriffe, wie teilen wir sie mit?
  • Wie gehen wir damit um, wenn sich die neuen, festgezurrten Begriff nicht mit der Sprache der Begriffsverwender decken?
  • Haben wir Verfahren, unsere Modelle weiterzuentwickeln?

Tipps für die Praxis

Erfolgskriterien für die Praxis

  • Niedrigschwellig anfangen: Wissen auch informell, "weich", semistrukturiert aufschreiben, notieren - externalize early and often!
  • Lässt sich unser Wissen vollständig formal repräsentieren? Kaum! Ergänzend hilfreich sind auch Erzählungen, Erfahrungsberichte als Grundlage von Szenarien und Usecases!
  • Sind Begriffe immer die beste Form der formalen Wissensrepräsentation, geht unser Wissen vollständig in Begriffen auf? Kaum! Hilfreich sind oftmals ergänzende Diagramme, Landkarten oder andere Visualisierungen. Vielfalt ist hier Trumpf.

Begriffe, Diagramme, Landkarten müssen aufgezeichnet werden und gelesen werden können:

  • Welche Tools helfen uns dabei?
  • Welche Unterstützung bieten die Tools - und wo werden sie hinderlich, strukturieren in die falsche Richtung vor, werden zum Korsett?
  • Wer beherrscht welche Funktionalitäten der Tools?
  • Einbettung der Tools
    • in den Betriebsablauf, in die Arbeitsgänge
    • in die vorhandene Tool-Landschaft Kompatibilität mit anderen Tools?!